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XLIV ZUR VOLKSKUNDE. Kastenwesen.die sich unter der Bezeichnung Kschatriyas zu einer zweiten Kaste
zusammenschlossen. Alle übrigen Volksgenossen, die Ackerbau-,
Handel- und Gewerbetreibenden, bildeten die dritte Kaste der Vai-
schyas
.
Nur diese drei arischen Kasten nahmen an den religiösen
Rechten und der bürgerlichen Gemeinschaft Teil, wogegen die ge-
samte
unterworfene nicht-arische Urbevölkerung als Schûdras
oder Knechte in eine vierte tief verachtete Kaste verwiesen und zu
einer rechtlosen Existenz verurteilt wurden. Nach brahmanischer
Lehre hatten die Schûdras nur die eine Aufgabe, den arischen Kasten
und besonders den Brahmanen zu dienen. Daß diese Kastenordnung
im wesentlichen unter priesterlichem Einfluß entstanden und darauf
berechnet war, die Macht der Brahmanen zu stärken, liegt auf der
Hand; denn wenn in einem Gemeinwesen, in dem die Religion von
überragender Bedeutung ist, die einzelnen Stände scharf voneinander
geschieden sind, so gelingt es dem Priester am leichtesten, je nach
Bedarf, den einen gegen den andern auszuspielen.

Die genannten vier Kasten, die durch die brahmanische Gesetz-
gebung
im Laufe der Zeit immer schärfer voneinander geschieden
wurden, treten uns in der ganzen indischen Literatur auf Schritt
und Tritt entgegen, und an sie pflegt man bei uns zu denken, wenn
von indischem Kastenwesen die Rede ist. Merkwürdigerweise aber
sind im wirklichen Volksleben diese vier Unterschiede schon zu der
Zeit, als Buddha auftrat, also im VI. Jahrh. vor Chr., fast vollständig
verschwunden, so daß sich von der alten Einteilung des Volkes nur
die Brahmanenkaste erhalten hat. An die Stelle der übrigen drei
ist ohne eine gewaltsame Umwälzung eine unübersehbare Menge
neuer Kasten getreten, die aber ebenso schroff voneinander geschie-
den
sind, wie die alten es waren. Einige Gelehrte sind daher der
Ansicht, daß die heutige soziale Gliederung Indiens in der Haupt-
sache
schon in dem alten brahmanischen Staatswesen geherrscht
habe und daß die Scheidung in vier Kasten niemals praktische Be-
deutung
gehabt habe, sondern lediglich eine priesterliche Fiktion
gewesen sei. Diese Anschauung ist leicht zu widerlegen; aber zu-
zugeben
ist, daß die Theorie von den vier Kasten ihr wirkliches Vor-
handensein
lange überdauert hat.

Es gibt unter den heutigen Hindus mehr als 3000 Kasten, die
nicht miteinander verkehren und heiraten. Zu dieser beispiellosen
Zerklüftung des Volks haben verschiedene Faktoren beigetragen.
Zahlreiche Kasten sind ethnologischen Ursprungs. Wenn Urbe-
wohner
, die manchmal noch halbe Nomaden sind, sich zum Brah-
manismus
bekehren und dessen höhere Kultur und Religion an-
nehmen
, wie das noch heute ununterbrochen geschieht, so wird
aus der alten Stammesgemeinschaft eine Kaste. Religiöse Brüder-
schaften
, an denen Indien seit alter Zeit reich ist, sind gewöhnlich
auch besondere Kasten. Wenn Mitglieder einer Kaste ihren Wohn-
sitz
wechseln und sich dauernd in einem anderen Teile Indiens